Infrastruktur in China

                          Infrastruktur - China 

1.2. Der Begriff Infrastruktur

1.2.1. Definition der Infrastruktur

Der aus dem militärischen Sprachgebrauch der NATO übernommene Begriff „Infrastruktur“ taucht in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur erst in den 60er Jahren auf. Bis heute gibt es keine einheitliche Definition der Infrastruktur. Die Definitionen lassen sich in zwei Hauptgruppen einteilen. Während die eine Gruppe die Teilbereiche der Infrastruktur aufzählt, stellt die andere die Merkmale der Infrastruktur dar. Die ersten Versuche einer Definition stammen im deutschsprachigen Raum von Stohler aus dem Jahre 1965 und Jochimsen aus dem Jahre 1966.

Stohler versucht in seiner Definition die Merkmale der Infrastruktur darzustellen. Er folgert aus seinen Überlegungen zur Infrastruktur, „daß unter diesem Begriff Ausgaben verstanden werden, die zwar für öffentliche Güter getätigt werden, jedoch insofern Investitionen darstellen, als gegenwärtigem Aufwand künftige Erträge entsprechen“ (Stohler 1965, S.294). Er teilt die Merkmale der Infrastruktur in technische, ökonomische und institutionelle Merkmale ein. Unter technischen Merkmalen versteht er beispielsweise die Unteilbarkeit und die lange Lebensdauer der Anlagen und die hohe Kapitalintensität. Unter ökonomischen Merkmalen stellt er insbesondere den hohen Fixkostenanteil an den Gesamtkosten, die externen Effekte, die Nichtanwendbarkeit des Ausschlußprinzips, den hohen Umfang und das hohe Risiko der Investitionen dar. Institutionelle Merkmale sind die defizitäre Betriebsführung, die nicht marktliche Bereitstellung, die fehlenden Marktpreise und der fehlende marktliche Allokationsmechanismus. Stohler zeigt weiter an Hand einer Aufzählung, welche Merkmale und Merkmalskombinationen in den verschiedenen Infrastrukturbereichen vorhanden sind. Nicht alle Merkmale treffen auf alle Infrastrukturbereiche zu (Vgl. Stohler 1965, S.281ff).

Jochimsen zählt in seiner Definition eher die Teilbereiche der Infrastruktur auf. „Infrastruktur wird als Summe der materiellen, institutionellen und personalen Einrichtungen und Gegebenheiten definiert, die den Wirtschaftseinheiten zur Verfügung stehen... “ (Jochimsen 1966, S.100). Unter materieller Infrastruktur versteht er die Gesamtheit aller Anlagen, Ausrüstungen und Betriebsmittel der Energieversorgung, des Verkehrs, der Forschung, der Telekommunikation, sowie Gebäude und Einrichtungen des staatlichen Verwaltungs-, Erziehungs-, Forschungs-, Fürsorge- und Gesundheitswesens (Vgl. Jochimsen 1966, S.103ff). Die institutionelle Infrastruktur umfasst die Gesamtheit der Normen, Einrichtungen und Verfahrensweisen einer Gesellschaft in Ihrer Verfassungswirklichkeit. Dies sind Rahmenbedingungen des Wirtschaftens (Vgl. Jochimsen 1966, S.117ff). Unter personaler Infrastruktur versteht er die Anzahl und die Fähigkeiten der Menschen, also das sogenannten Humankapital (Vgl. Jochimsen 1966, S.133ff).

Danach haben noch viele Wissenschaftler die beiden Definitionen von Stohler und Jochimsen zu verbessern versucht, jedoch ist bis jetzt keine allgemein unumstrittene und anerkannte Definition gelungen, so daß man sich in der Regel mit der Aufzählung der Teilbereiche der Infrastruktur zufriedengibt.

1.2.2. Teilbereiche der Infrastruktur

Genauso wie es keine einheitliche Definition der Infrastruktur gibt, gibt es auch keine eindeutige Abgrenzung der Sektoren der Infrastruktur. Einzig der Verkehrssektor wird unumstritten der Infrastruktur hinzugerechnet. Andere Teilbereiche werden nur von einem Teil der Wissenschaft zu der Infrastruktur gezählt. Allgemein wird der angelsächsische Begriff „infrastructure“ enger abgegrenzt als der deutschsprachige Begriff „Infrastruktur“. Während im Englischen zur „infrastructure“ nur die Netzwerke wie Verkehrs-, Energieversorgungs-, Wasserversorgungs-, oder Telefonnetze gezählt werden, wird im Deutschen der Begriff „Infrastruktur“ weiter gefasst.

Zur Abgrenzung des deutschsprachigen Begriffs „Infrastruktur“ gibt es eine Untersuchung von Trunzer aus dem Jahre 1980. Er untersuchte die in der deutschsprachigen Literatur vertretenen Ansichten, welche Sektoren zur Infrastruktur gehören. Dazu untersuchte er 36 verschiedene Literaturquellen. Er kam zu folgendem Ergebnis:

Tab.1: NENNUNG DER INFRASTRUKTURBEREICHE

IN DER LITERAUR

Sektor

Nennungen

   
Verkehr

36

Bildung

30

Gesundheit

29

Energie

26

Wasser

26

Wissenschaft

23

Nachrichten

19

Sport u.Erholung

16

Kultur

11

Verwaltung

11

Soziales

10

Wohnungsbau

10

Recht u. Ordnung

10

Kommunale Einricht.

8

Umweltschutz

8

Verteidigung

4

Quelle: Trunzer 1980, S.17

 

Einige Sektoren werden manchmal auch anders bezeichnet oder abgegrenzt. So wird der Nachrichtensektor in den letzten Jahren häufiger Telekommunikationssektor genannt. Im Wissenschaftsbereich wird häufig zwischen Forschungs- und Wissenschaftssektor unterschieden.

Neben dem Verkehrssektor, der als einziger Sektor von allen Autoren zur Infrastruktur hinzugerechnet wird, werden also auch der Bildungs-, der Gesundheits-, der Energie-, der Wasser-, der Wissenschafts-, der Nachrichten- und der Sport- und Erholungssektor von der Mehrheit der Autoren zur Infrastruktur hinzugezählt. Da sich diese Arbeit mit der Infrastruktur als Engpaß für weiteres Wirtschaftswachstum beschäftigt, werde ich die Sektoren untersuchen, die zu einem solchen Engpaß führen könnten.

1.2.3. Produktive und konsumtive Infrastruktur

Die Einteilung der Infrastruktur in produktive und konsumtive Infrastruktur ist für die spätere Untersuchung der Wachstumswirkung von Infrastruktur wichtig. Diese Unterscheidung stammt von Frey. „ Infrastrukturproduktivinvestitionen sind Veränderungen des Infrastrukturkapitalbestandes (Sach- oder immatrielles Kapital), dessen output in einer späteren Periode input für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und von Unternehmungen nachgefragt wird (Infrastruktur als intermediäre Güter). Infrastrukturkonsumtivinvestitionen sind öffentliche Ausgaben, die wohl zu einer Akkumulation von Kapital führen, ohne daß aber die Infrastrukturleistungen in einer späteren Periode als inputs in der Produktion Verwendung finden. Sie dienen - ähnlich den langlebigen Konsumgütern - unmittelbar der individuellen Bedürfnisbefriedigung. ... (Infrastrukturleistungen als Endprodukte)“ (Frey 1971, S.19).

Simonis definiert die Infrastukturkonsumtivinvestitionen genauer. Er meint, daß Konsumtivinvestitionen zu einem Nutzenstrom in Zukunft führen, aber nicht unbedingt die Produktionskapazität einer Volkswirtschaft erhöhen (Vgl. Simonis 1977, S.100).

Eine Einteilung in produktive und konsumtive Infrastruktur kann nur in manchen Sektoren eindeutig getroffen werden. Bei einem Erholungspark für die Bürger ist die Einteilung beispielsweise eindeutig. Eine solche Infrastruktureinrichtung fließt nicht in die Produktion ein und dient unmittelbar der Bedürfnisbefriedigung. Ein Park erhöht nicht unmittelbar das Produktionspotential der Wirtschaft und ist als konsumtiv anzusehen. Ein Erholungspark ist somit eindeutig der konsumtiven Infrastruktur hinzuzurechen. Eine Straße kann jedoch nicht so eindeutig zur produktiven oder konsumtiven Infrastruktur hinzugerechnet werden. Zum einen benützen Unternehmen die Straße zum Transport von Gütern. Dies ist eine eindeutig produktive Funktion einer Straße. Zum anderen aber wird sie jedoch auch für Freizeitfahrten von den Bürger benützt. Dies ist eine konsumtive Funktion einer Straße.

Ganz oder teilweise zur produktiven Infrastruktur gehören mit Sicherheit der Verkehrs-, der Energie-, der Bildungs-, der Wissenschafts-, der Telekommunikations- und der Wassersektor. Die heutige Industrie braucht mit Sicherheit Energie und Kommunikationseinrichtungen als Vorleistung. Auch die Wasserversorgung ist insbesondere in dem Landwirtschaftsektor in vielen Ländern wie beispielsweise China wichtig. Die Industrie braucht Verkehrsinfrastruktur z.B. zum Transport der Rohstoffe zu den Produktionsstätten und zum Transport der Produkte zu den Kunden. Ohne gebildete Fachkräfte ist moderne Produktion heute sicher nicht mehr möglich, so daß auch die Bildungsinfrastruktur in hohem Maße produktiv ist. Der Hauptgrund für Wissenschaftsaktivitäten ist es, die Produktion zu verbessern und neue Produkte hervorzubringen.

Die anderen Sektoren wie z.B. der Kultur-, der Gesundheits- oder der Erholungssektor dienen vor allem dem privaten Konsum und sind keine Vorleistungen für den Produktionsprozeß. Sie dienen nicht dazu die Produktionskapazität einer Volkswirtschaft zu vergrößern. Sie sind somit der konsumtiven Infrastruktur hinzuzurechnen.

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