Bildung in China - Universitäten, Schulen, Allgemeinbildung und höhere Bildung

                          Infrastruktur - China 

2.1. Bildungsinfrastruktur in China

2.1.1. Bildung und Wachstum in China

Bildungsinfrastruktur ist der Hauptbestandteil der personalen Infrastruktur. „Dabei umfasst die personale Infrastruktur die Zahl und die Eigenschaften der Menschen der arbeitsteiligen Marktwirtschaft im Hinblick auf ihre Fähigkeit, zur Erhöhung von Niveau und Integrationsgrad der Wirtschaftstätigkeit beizutragen. Dazu gehören Allgemeinbildung, Spezialisierung und Qualifizierung der Menschen in den verschiedenen Funktionen der arbeitsteiligen Marktwirtschaft, ferner ihre sektorale, regionale und unternehmens- bzw. betriebsgrößenmäßige Verteilung“ (Jochimsen 1966, S.133).

Die Auswirkungen von Bildungsinfrastruktur auf das Wirtschaftswachstum lassen sich auf verschiedene Weise erklären. Nach Graff (1995, S.7ff) hat die (formale) Bildung zwei Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Zum einen wird die Arbeitsproduktivität unmittelbar durch ein verbessertes Ausbildungsniveau erhöht. Zum anderen wird die Arbeitsproduktivität auch mittelbar erhöht, weil durch Bildung auch der Stand des technischen Wissens durch Innovationen erhöht wird. Jochimsen glaubt gemäß dem Entwicklungspotentialansatz, daß Bildungsinfrastruktur in einer sich entwickelnden Marktwirtschaft nötig ist, um das Entwicklungspotential auszuschöpfen (Vgl. Jochimsen 1966, S.133). Somit hat eine gute Bildungsinfrastruktur nicht nur eine positive Wachstumswirkung, sondern ist Grundvoraussetzung für Wachstum.

Auch nach dem Zwischenproduktansatz hat Bildung eine positive Wachstumswirkung. Ausgebildete Arbeitskräfte gehören in einer modernen Industriegesellschaft mit Sicherheit zu den notwendigen Zwischenprodukten im Produktionsprozess. Entsteht ein Engpass an qualifizierten Arbeitskräften in einem Betrieb, kann das Produktionsergebnis des Betriebs erheblich kleiner ausfallen. Bei der Errichtung von neuen Produktionsstätten sind qualifizierte Arbeitskräfte ein wichtiger Standortfaktor. Besteht ein Engpass an gebildeten Arbeitskräften hat dies also wachstumshemmende Wirkung. Ziel der Infrastrukturpolitik ist es solche Engpässe abzubauen.

Auch in China wird das Problem erkannt. Der frühere Staats- und Parteichef Deng Xiaoping sagte in einer Rede auf einer Erziehungskonferenz 1985: „Die Stärke und das wirtschaftliche Wachstum unseres Landes sind zunehmend abhängig von der Leistungsfähigkeit der Arbeitskräfte und der Quantität und Qualität der Intellektuellen. Unter der Voraussetzung eines guten Bildungssystems kann China, ein Land mit einer Milliarde Menschen, enorme intellektuelle Ressourcen ausschöpfen, die kein anderes Land aufweisen kann“ (Zitat aus: Jordan 1992, S.57).

Minami meint, daß gerade das Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern wegen des Mangels an Kapital und Technologie von menschlichen Ressourcen abhängt (Vgl. Minami 1994, S.44). Die Qualität von menschlichen Ressourcen hängt insbesondere von der Bildungsinfrastruktur ab.

Es ist Aufgabe des Staates im Rahmen der Bildungspolitik für die fundamentale Ausbildung der Bürger sorgen. Dazu zählt zum einen die Grundschulausbildung. Sie ist Voraussetzung für den Erwerb von weitergehenden Kenntnissen zum Beispiel in den Betrieben. Auch muss der Staat für eine höhere Ausbildung für den Teil der Bevölkerung sorgen, der später Aufgaben übernimmt, die über die innerbetrieblich erlernbaren Fähigkeiten hinausgehen.

Zur Bestimmung des Bildungsniveaus gibt es einige Kennzahlen, die jedoch nur bedingt auf das tatsächliche Bildungsniveau schließen lassen. So hat beispielsweise der Anteil der Bürger mit Universitätsabschluß an der Gesamtbevölkerung nur bedingte Aussagekraft, weil darin die Qualität der Ausbildung unberücksichtigt bleibt. Es ist sehr problematisch, die Qualität der Ausbildung zu messen oder zu vergleichen.

2.1.2. Allgemeinbildung in China

Allgemeinbildung ist die Voraussetzung für den Erwerb von weiteren berufsnotwendigen Kenntnissen. In einem Entwicklungsland wie China ist es vor allem sehr wichtig allen Menschen das Lesen und Schreiben beizubringen.

Der chinesische Staat hat in den letzten Jahrzehnten mit großen Anstrengungen den Analphabetismus bekämpft. Lag der Anteil der Analphabeten zu Beginn der 80er Jahre noch bei über einem Drittel (Statistisches Bundesamt 1993, S.47) ist er bis 1990 auf 22,2% gesunken (Statistisches Bundesamt 1995a, S.92). Bis 1995 sank der Anteil auf 19% (Der Fischer Weltalmanach 1997, S.111). Somit war die staatliche Bildungspolitik in diesem Bereich sehr erfolgreich. Nicht nur durch die normale Grundschulbildung im Kindesalter, sondern auch durch Alphabetisierungsprogramme für Erwachsene wird versucht, die Zahl der Analphabeten zu senken. „Im Jahre 1996 wurden 4 Mio. Menschen alphabetisiert. Dies ist die allgemein anerkannte Zahl, die in einem Jahr erreicht werden kann“ (Staiger 1997b, S.292). Die verbliebenen Analphabeten sind vor allem alte Menschen. In der für die Wirtschaft wichtigen Altersgruppe der 15 bis 50-jährigen gibt es noch 35 Mio. Analphabeten (Vgl. Staiger 1997b, S.292). Bei einer Gesamtbevölkerung von über 1200 Mio. ist dies keine hohe Rate. Die Analphabeten scheinen also langsam auszusterben.

Trotz der Erfolge wurden in den letzten Jahren die Fortschritte bei der Bekämpfung des Analphabetentums vom chinesischen Staat als unzureichend betrachtet. Deshalb wurde 1994 ein weiteres großes Programm beschlossen, das die Senkung der Analphabetenrate bei den Menschen zwischen 15 und 50 Jahren auf unter 5 Prozent bis zum Jahre 2000 zum Ziel hat. Insgesamt sollen zum Beispiel 1,5 Millionen Studenten jährlich in den Sommerferien den Analphabeten das Lesen und Schreiben beibringen. (Vgl. Staiger 1995b, S.909)

Auch mit dem sogenannten Erziehungsfernsehen wurden große Erfolge vor allem bei der Erwachsenenbildung erzielt. Insbesondere in den abgelegeneren Regionen soll hiermit das Bildungsniveau verbessert werden. Die Alphabetisierungskurse via Bildschirm sind erfolgreich. In einigen Provinzen verfügen schon über die Hälfte aller Kreise über eigene Fernsehstationen dieser Art. (Vgl. Staiger 1994a, S.127)

Eine große Schwierigkeit bei der Bekämpfung des Analphabetismus in China besteht in der Schwierigkeit der chinesischen Schrift. Das Erlernen der chinesischen Schrift ist weitaus schwieriger als das Erlernen anderer Schriften. So muss man mindestens 1500 der 50000 Schriftzeichen beherrschen, um von Alphabetisierung sprechen zu können. Dies dauert bei Kindern im Grundschulalter mindestens drei bis vier Jahre.

Um den derzeitigen Stand der Allgemeinbildung in China besser bewerten zu können, ist ein internationaler Vergleich hilfreich:

Tab. 2: Internationaler Vergleich der Analphabetenrate und der Einschulungsrate

Land

BSP pro Kopf (US$)

(1994)

Analphabeten

in % (1990)

Einschulungsrate

(92/93)

China

530

22,2

121

Indonesien

880

18,4

115

Philippinen

960

6,4

111

Thailand

2210

6,7

99

Malaysia

3520

21,6

108

Südkorea

8220

3,7

102

Japan

34630

k.A.

102

Quelle: BSP Pro Kopf : Der Fischer Weltalmanach 1997, S.699-715

Analphabeten in% : Statistisches Bundesamt 1995a, S.92

Einschulungsraten in% : Statistisches Bundesamt 1995a, S.98

Bemerkung : Definition der Einschulungsraten in den Primärbereich: Vgl. Statisti-

sches Bundesamt 1995a, S.93

Die Einschulungsrate ergibt sich aus dem Verhältnis aller eingeschulten Personen zur Zahl der Personen in der entsprechenden Altersgruppe (Vgl. Statistisches Bundesamt 1995a, S.97). Somit sind Zahlen über 100% möglich, weil auch Leute aus anderen Altersgruppen (Erwachsene) eingeschult werden können. Nach der Gesamtstatistik des Statistischen Bundesamts hat China sogar die weltweit höchste Einschulungsrate in den 116 untersuchten Ländern. Dies ist darauf zurückzuführen, daß in China nicht nur Kinder in der entsprechenden Altersgruppe die Grundschule besuchen, sondern auch sehr viele ältere Menschen, die in ihrer Kindheit keine Grundschulausbildung genossen. Damit wird die Analphabetenrate auch bei den Erwachsenen gesenkt. Fehler aus der Vergangenheit werden wieder gutgemacht.

Die Analphabetenrate ist in China noch höher als in den Vergleichsländern. Da die großen Anstrengungen die Analphabetenrate zu senken erfolgreich zu sein scheinen und da heute jedes Kind eingeschult wird (Vgl. Statistisches Bundesamt 1993, S.47), ist jedoch damit zu rechnen, daß die Analphabetenquote bald ein wesentlich niedrigeres Niveau erreichen wird. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß die Alphabetisierungsquote jedes Vergleichslandes schneller erreicht wird als das wirtschaftliche Niveau desselben Landes. Somit dürfte Analphabetismus kein großes Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung darstellen.

Über die Qualität der Grundschulausbildung in China gibt es jedoch unterschiedliche Meinungen. Auf der einen Seite ist es zwar in den letzten Jahren gelungen die durchschnittliche Grundschulzeit deutlich zu verlängern. Schulpflicht besteht in China nur während der Grundschulzeit, die regional verschieden zur Zeit sechs bis neun Jahre beträgt.

So wird versucht die neunjährige Schulpflicht, wie in den meisten Industrieländern üblich, im ganzen Land einzuführen. Dies ist bisher nur in einigen Regionen gelungen. Bis 1996 soll dies nach chinesischen Angaben in der Hälfte der Kreise gelungen sein (Vgl. Staiger 1997a, S.12-13). Dennoch ist auf dem Land durch die neuen privaten landwirtschaftlichen Familienbetriebe die Arbeitskraft der Kinder wieder mehr gefragt. So werden Kinder häufig illegal von den Eltern zu früh aus der Schule genommen. Die Zahl der vorzeitigen Schulabbrecher soll nach offiziellen Angaben nur bei 1,3% liegen (Vgl. Staiger 1997b, S.292). Diese Zahlen scheinen jedoch geschönt zu sein. „In unterentwickelten Gebieten beträgt der Anteil der Abbrecher nicht selten ein Drittel bis zur Hälfte“ (Staiger 1997b, S.292).

Auch gibt es viele andere Kritikpunkte. Insbesondere zu große Klassenstärken, Lehrermangel, schlecht bezahlte und ausgebildete Lehrer, zu wenige Freiheiten im Stundenplan und zu wenig Rücksichtnahme auf die individuelle Persönlichkeit der Schüler werden häufig bemängelt. So ist die Einführung eines flächendeckenden Fremdsprachenunterrichts (meist Englisch) bereits in der Grundschule am Mangel an geeigneten Lehrer in den meisten Regionen bisher gescheitert. (Vgl. Jordan 1992, S.52-54)

Nach der Grundschule geht ein Teil der Chinesen direkt ins Berufsleben, ein Teil geht auf die Mittelschule. Es gibt allgemeinbildende und berufsbildende Mittelschulen. Die allgemeinbildenden Mittelschulen wurden seit Beginn der 80er Jahre zugunsten der berufsbildenden reduziert. (Vgl. Jordan 1992, S.54-55)

Die Einschulungsquote in den Tertiärbereich, der die Ausbildungsgänge nach Erfüllen der allgemeinen Schulpflichtzeit umfasst, beträgt lediglich 1,4 % (Statistisches Bundesamt 1995a, S.98). Diese Quote ist im internationalen Vergleich sehr niedrig. Diese Kennzahl ist jedoch aufgrund verschiedener Schulsysteme schwer zu vergleichen.

Insgesamt kann man sagen, daß China große Anstrengungen unternimmt, die schulische Allgemeinbildung zu verbessern. Insbesondere die hohe Einschulungsquote in den Primärbereich und die damit verbundene schnelle Bekämpfung des Analphabetismus sind beeindruckend. Mit den aufwendigen Erwachsenbildungsprogrammen werden Fehler aus der Vergangenheit kompensiert. Größtenteils dürfte die Allgemeinbildung somit in Zukunft den beruflichen Bildungsansprüchen genügen.

2.2.3. Berufliche und höhere Bildung in China

„Any country that wants to compete in the world economy needs a comprehensive education policy that includes spending on higher education, science and technology, and professional training“ (World Bank Report aus: World Development Report 1992, S.873).

Bis vor wenigen Jahren wurde die berufliche Ausbildung in China vor allem den Betrieben überlassen. Die überwiegend großen staatlichen Betriebe in der Landwirtschaft, der Industrie und im Dienstleistungssektor bildeten ihren eigenen Nachwuchs in eigenen Berufsschulen aus. In den immer bedeutender werdenden privaten Betrieben wird der Ausbildung jedoch kein so großer Stellenwert eingeräumt. Sie versuchen stattdessen durch etwas höhere Löhne die ausgebildeten Fachkräfte den staatlichen Betrieben abzuwerben. Insgesamt entsteht so eine Lücke an Fachkräften. (Vgl. Jordan 1992, S.49-52)

Jordan (1992, S.57) glaubt, daß berufliche Bildung das schwächste Glied im Bildungswesen sei. Insbesondere bemängelt Jordan, daß es aufgrund der früheren dezentralen Ausbildung in den Betrieben bis heute kein einheitliches berufliches Ausbildungssystem gibt, obwohl schon seit Mitte der 80er Jahre versucht wird das Bildungssystem zu vereinheitlichen. Dieser Mangel soll nun durch ein dafür 1995 gegründetes staatliches Komitee behoben werden. Es soll einheitliche Standards für die Berufsausbildung erarbeiten. Diese sollen bis ins Jahr 2000 für alle Einstellungen verbindlich sein. (Vgl. Staiger 1995a, S.470)

Nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels wird der derzeitige industrielle Aufschwung in China insbesondere durch die Brachen getragen, in denen überwiegend schnell erlernbare Fähigkeiten verlangt werden wie zum Beispiel in der Textilindustrie. Um den Facharbeitermangel zu bekämpfen wandelte man seit Beginn der 80er Jahre allgemeinbildende Mittelschulen in berufsbildende Mittelschulen um. Auch sogenannte mittlere Spezialschulen wurden eingerichtet. Dies sind Internatsschulen, die zwischen Berufs- und Hochschulen stehen. Diese neuen Berufsbildungseinrichtungen sind jedoch vor allem quantitativ nicht ausreichend. Auch finanzielle Probleme sind vorhanden. Es wurde vor allem dem Dienstleistungssektor zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Erst in letzter Zeit gibt es überhaupt Ausbildung in Bereichen wie Versicherungen oder Tourismus, die in der Marktwirtschaft verstärkt nachgefragt werden. (Vgl. Jordan 1992, S.57-73)

China will in Zukunft neben den arbeitsintensiven Industrien auch in anderen Industriezweigen wie dem Maschinenbau, der Chemie-Industrie oder im High-Tech-Bereich Fuß fassen. Dazu sind Millionen neuer gut ausgebildeter Facharbeiter nötig. Deshalb muß China ein vernüftiges Berufsbildungssystem, wie es zum Beispiel das deutsche duale System ist, aufbauen.

Auch das Hochschulwesen ist in China schlecht ausgebaut. Dies zeigt sich im internationalen Vergleich:

Tab. 3: Internationaler Vergleich der höheren Bildung

Land

BSP pro Kopf (US$)

(1994)

Höhere Bildung in % (1985)

China

530

2

Indonesien

880

7

Philippinen

960

38

Thailand

2210

20

Malaysia

3520

6

Südkorea

8220

33

Japan

34630

29

Quellen: BSP pro Kopf: der Fischer Weltalmanach S.699-718

Höhere Bildung in % 1985. Minami 1994, S.45

Bemerkung: Höhere Bildung in % entspricht hier der Anzahl der Studenten geteilt

durch die Bevölkerung zwischen 20 und 24 Jahre (Vgl. Minami 1994, S.45)

Auch nach 1985 hat sich die Zahl der Studenten in China nicht wesentlich erhöht (Vgl. Statistisches Bundesamt 1993, S.49). Somit liegt China bei der Hochschulinfrastruktur nach wie vor weit hinter den Vergleichsländern. Minami hat in einer größeren Untersuchung errechnet, daß China 1985 bei der höheren Bildung in Prozent selbst unter den Entwicklungsländern weltweit bestenfalls im Mittelfeld lag. Dies ist nach Minami insbesondere darauf zurückzuführen, daß in China nur 2,7% des BSP für Bildung ausgegeben wurde. In seiner Untersuchung von 62 Ländern ist dies die elftschlechteste Zahl. (Vgl. Minami 1994, S.47)

Langsam scheint sich auch hier die Situation etwas zu verbessern. So wuchs die Zahl der Studienanfänger 1996 im Vergleich zum Vorjahr um 40.000 auf 996.000 (Vgl. Staiger 1997b, S.292). Vor allem in den für moderne Volkswirtschaften wichtigen Bereichen Handel, Jura, Fremdsprachen und Bankwesen ist ein hoher Zuwachs zu verzeichnen (Vgl. Beijing Rundschau 27/95, S.26-27). Diese Zuwachsraten sind allgemein jedoch deutlich zu gering, wenn die chinesischen Hochschulen in Zukunft mit der stürmischen wirtschaftlichen Entwicklung mithalten wollen.

Ein Problembereich in der chinesischen Bildungspolitik ist der internationale Studentenaustausch. Erst seit 1995 gibt es Kooperationen zwischen chinesischen und westlichen Hochschulen (Vgl. Beijing Rundschau 27/95, S.27). Dieser ist für China besonders wichtig, weil das Land in vielen Bereichen derzeit einen hohen Nachholbedarf hat. Es befinden sich derzeit etwa 100.000 Studenten im Ausland. Bislang stellte die Rückkehrerquote immer ein großes Problem dar, weil die Mehrzahl der Studenten es vorzog im Ausland zu bleiben. (Vgl. Staiger 1996e, S.1099) Nur etwa 70.000 der 250.000 chinesischen Studenten, die seit 1978 im Ausland waren, sind zurückgekehrt (Vgl. Staiger 1996a, S.13-14). Jetzt wird versucht die Studenten durch lukrative Angebote zur Rückkehr zu bewegen. Dienstleistungszentren für Rückkehrer werden eingerichtet, die bei der Stellensuche und Wohnungssuche behilflich sind (Vgl. Staiger 1996e, S.1099).

In einigen Studiengängen an den chinesischen Hochschulen gibt es besonders gravierende Engpässe. So ist der Mangel an guten Wirtschaftswissenschaftlern und Managern ein Problem. Da dieser Bereich früher aus ideologischen Gründen völlig andere Lehrinhalte hatte, gibt es kaum geeignete Hochschullehrer. Auch gibt es zu wenig Schulen und zu wenig öffentliche Gelder hierfür. (Vgl. World Development Report 1992, S.873-880)

Auch wurden in China private Unternehmen bei der Zuteilung von jungen Akademikern benachteiligt. Bisher mußten die Hochschulabsolventen nämlich dort arbeiten, wo der Staat sie zuteilte. Eine freie Wahl des Arbeitsplatzes existierte nicht. Die meisten wurden in Staatsbetrieben eingesetzt. Seit einigen Jahren wird nun versucht, den Absolventen eine freiere Arbeitsplatzwahl zu ermöglichen. Der Vorteil für die jungen Akademiker ist nun, daß sie lukrativere Arbeitsangebote in der Privatwirtschaft annehmen können. Allerdings müssen sie ihr Studium dann auch selbst bezahlen (180$ im Jahr, dies ist ein Drittel eines jährlichen Durchschnittslohns in Chinas Städten). Außerdem entfällt die staatliche Arbeitsplatzgarantie. (Vgl. The Economist 10.3.1997, S.62) Für die Wirtschaft ist das neue System jedoch gut, solange es genug Studenten gibt, die sich die teuren Studiengebühren leisten können.

2.3.4. Fazit

Insgesamt ist die Bildungspolitik in China unterschiedlich zu bewerten. Die Grundbildung der Bevölkerung ist weiter fortgeschritten als die höhere Bildung. Bei den allgemeinbildenden Schulen ist das Bildungssystem im Vergleich zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Entwicklungslandes sehr weit fortgeschritten. Wird diese Politik konsequent fortgeführt, dürfte hier auch in Zukunft kein Mangel auftauchen.

Der Mangel an höher qualifizierten Arbeitskräften könnte sich in Zukunft als besonders schwerwiegend erweisen. Der zukünftige Wandel hin zu mehr Dienstleistungen und zu der Produktion von höherwertigen Produkten erfordert einen größeren Anteil an gut ausgebildeten Fachkräften und Akademikern als dies in einer von Landwirtschaft und arbeitsintensiver Industrie geprägten Gesellschaft der Fall ist. Gelingt es in diesem Bereich nicht rasch die Probleme zu lösen, wird sich der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften schnell als Standortnachteil auswirken und das zukünftige Wachstum könnte gebremst werden.

Es muß ab sofort mehr Geld in Berufsausbildung und Hochschulausbildung investiert werden. Zuerst sollten die Qualifikationen und Berufe gefördert werden, in denen der größte Nachholbedarf besteht. Geschieht dies nicht, wird die weitere wirtschaftliche Entwicklung in China ernsthaft gefährdet sein.

 

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