Infrastruktur - China |
||||||||||||||||||||||||||||||||
2.4.3. Eisenbahn
2.4.3.1. Größe und Kapazität des chinesischen Eisenbahnnetzes
Das chinesische Eisenbahnnetz ist das fünftgrößte der Welt (Vgl. Schmidt 1992, S.57). Im Jahre 1995 hatte das chinesische Eisenbahnnetz eine Länge von 60900 km (Vgl. Schüller 1997b, S.339 bis 341). Dies ist zwar im internationalen Vergleich ein relativ großes Netz, jedoch ist aufgrund der Größe des Landes die Netzflächendichte sehr gering. Ein Vergleich mit den anderen Wachstumsländern Ostasiens eignet sich hier nicht, da China im Gegensatz zu den anderen Ländern ein großer Flächenstaat ist und somit ist ein Vergleich mit anderen großen Flächenstaaten angebrachter. Die USA haben nach einer Berechnung von Schmidt eine wesentlich größere Netzflächendichte (2,77 km/km²) als China (0,54 km/km²), obwohl in den USA Eisenbahnen eine viel geringere Rolle spielen. Selbst extrem dünnbesiedelte Flächenstaaten wie Kanada (0,7 km/km²) oder Länder mit einer geringeren Wirtschaftskraft wie Indien (1,88 km/km²) haben eine höhere Netzdichte als China. (Zahlen aus: Schmidt 1992, S.58) Somit ist das Eisenbahnnetz Chinas eindeutig als zu weitmaschig einzustufen. Die Entwicklung der Eisenbahn in China seit dem Jahre 1980 zeigt die folgende Tabelle:
Tab. 5: Wachstum des Eisenbahnverkehrs 1980-1995
Quelle: 1980-1990: Statistisches Bundesamt 1993, S.106 1995: Schüller 1997b, S.339-343
Das Streckennetz ist also zwischen 1980 und 1995 jährlich durchschnittlich um nur 1,3% gewachsen. Das Frachtvolumen jedoch um etwa 5,5%. Pro Streckenkilometer wird also eine wesentlich größere Menge an Fracht transportiert als noch 1980. Bis zum Jahre 2000 soll das Netz auf etwa 70000 km wachsen (Vgl. Statistisches Bundesamt 1993, S.105). Wenn dieses Ziel erreicht wird, wird das Netz zwischen 1995 und 2000 jährlich durchschnittlich um 2,8% erweitert werden. Für den Außenhandel waren Schienentransporte bisher immer relativ unbedeutend. Es bestehen Verbindungen wie zum Beispiel die transsibirische Eisenbahn über die Mongolei nach Russland oder eine Verbindung nach Nordkorea. Wegen der wirtschaftlichen Krisen in diesen Ländern ist die Bedeutung dieser Strecken derzeit gering. Die chinesische Eisenbahn ist teilweise sehr veraltet. So waren 1991 noch 43% aller Lokomotiven leistungsschwache Dampflokomotiven, nur 44% waren Dieselloks und nur circa 13% Elektrolokomotiven (Vgl. Poser 1995, S.36). Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß in China viel mehr Kohle als Öl gefördert wird. Strom ist, wie in dem Kapitel über Energieinfrastruktur gezeigt wurde, in China nicht im ausreichenden Maße vorhanden. Im Jahre 1991 waren nur circa 26% des Streckennetzes doppelgleisig (Vgl. Poser 1995, S.33). Eingleisige Strecken haben ein um ein vielfaches geringere Kapazität als doppelgleisige Strecken. Viele Strecken können wegen Qualitätsmängeln der Schienen, Schwellen und Brücken nur mit leichten Zügen befahren werden (Vgl. Poser 1995, S.33). 2.4.3.2. Chinas Eisenbahnen als Engpass für weitere wirtschaftliche Entwicklung „Experten sind der Meinung, daß die Eisenbahnstrecken jeweils um 0,5% für jedes Prozent Zuwachs industriellen Outputs verlängert werden sollen, falls das Land eine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung wünscht“ (Louven 1989, S.691). Wenn der industrielle Output um weit über 10% - wie in den vergangenen Jahren - wächst, wäre also ein jährliches Wachstum des Streckennetzes von mindestens 5% nötig. Da das Netz in den vergangenen Jahren nur um 1,8% gewachsen ist, ist das Eisenbahnnetz stark hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben. Die Plangröße 70000km bis zum Jahre 2000 ist somit ebenfalls nicht ausreichend, wenn die Wirtschaft weiterhin so schnell wie in den letzten zehn Jahren wächst, da diese Plangröße nur ein Wachstum des Netzes von 2,8% jährlich bedeutet. Das Netz ist schon heute stark belastet. Bereits 1992 benützte China seine Eisenbahnstrecken dreimal intensiver als die USA (Vgl. The Economist 29.11.92, S.72). China hat in den letzten Jahrzehnten zwar viel in den Ausbau des Eisenbahnnetzes investiert, jedoch war dies nicht genug. China gab in den 80er Jahren bis zu 1,8% des BIP für Eisenbahninfrastruktur aus. Dies war nur die Hälfte des Anteils den zum Beispiel Indien oder Brasilien ausgegeben haben (Vgl. The Economist 29.11.92, S.72). Auch in den 90er Jahren sind die Ausgaben nicht sprunghaft erhöht worden. Somit sind die Strecken jetzt noch höher belastet. Das Hauptproblem des chinesischen Eisenbahnnetzes ist jedoch die nicht bedarfsgerechte Netzverteilung. Nach Schmidt (1992, S.59-60) hat nur der Nordosten ein relativ dichtes Eisenbahnnetz. Er begründet dies damit, daß im Norden die Industrialisierung begann und somit das Eisenbahnnetz bereits damals gut ausgebaut wurde. Im Osten und im Süden erweise sich das Streckennetz als absolut unzureichend, weil die stürmische Industrialisierung nicht sofort mit einem Ausbau des Netzes beantwortet wurde. Die Analyse der Netzverteilung zeigt enorme Schwachpunkte im chinesischen Eisenbahnnetz auf. Der Engpass in den Nord-Süd-Verbindungen ist das Hauptproblem des chinesischen Verkehrs überhaupt. Bisher gab es nur zwei große Nord-Süd-Verbindungen. Dies ist zum einen die Strecke von Peking nach Guangzhou (Kanton) und weiter nach Hongkong und zum anderen die Verbindung von Erenhot nach Zhanjiang in der Provinz Guangdong (Vgl. Statistisches Bundesamt 1993, S.105). Diese beiden Strecken reichen bei weitem nicht aus. Der industriell schnell wachsende Süden ist auf die Rohstoffversorgung aus dem Norden stark angewiesen. Laut einem Bericht von Schüller (1993a, S.117) liegen in den Provinzen Heilongjiang und Liaoning 3-4 Millionen Tonnen Güter auf Halde, weil Transportmöglichkeiten fehlen. „Oftmals liegt die Kohle so lange im Freien bis sie sich selbst entzündet“ (Schüller 1993a, S.117). Vor allem in der Versorgung mit Kohle, aber auch mit anderen Materialien wie Kunstdünger sind die Engpässe aufgrund der Transportprobleme sehr groß (Vgl. Schüller 1993a, S.117). Um diesen Engpass zu mildern, wurde in den 90er Jahren eine komplette Neubaustrecke von Peking nach Hongkong gebaut. Diese 2500 km lange Strecke, die bis zur Übergabe Hongkongs fertiggestellt sein sollte, wurde bereits früher als geplant, nämlich im November 1995, fertiggestellt (Vgl. Beijing Rundschau 10/96, S.19). So sind die beiden alten Hauptstrecken deutlich entlastet worden. Mehr Güter können nun vom Norden nach Süden transportiert werden. Jedoch ist schon wieder ein zunehmender Engpass vorhanden, so daß weitere Nord-Süd-Verbindungen nötig sind. In den letzten Jahren ist ein zweiter schwerer Engpass aufgetreten. Vor allem in den Küstenregionen boomt seit Beginn der 90er Jahre die Exportindustrie. Laut Schmidt kann die vorhandene Schieneninfrastruktur dieser Region lediglich die Hälfte des Frachtaufkommens, das per Schiff importiert oder exportiert wird, bewältigen (Vgl. Schmidt 1992, S.94). Die Gefahr, daß der Außenhandel aufgrund von Transportengpässen nicht mehr wachsen kann, besteht also. Auch hier sind zur Entlastung der alten Strecken Neubaustrecken geplant (Vgl. Schmidt 1992, S.95-96). Auch die Verbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes Peking und Shanghai ist überlastet. Hier soll deshalb die erste chinesische Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut werden. Die 1330 km lange Strecke ist auf 250 km/h ausgelegt. Diese Verbindung befindet sich jedoch noch in der Planungsphase. (Vgl. Poser 1995, S.36) Zwischen diesen beiden Städten könnte auch die erste chinesische Magnetschwebebahn gebaut werden, die in China derzeit entwickelt wird (Vgl. Beijing Rundschau 11/96, S.28). Die Bahnverbindungen mit dem Ausland sollten auch ausgebaut werden. Hierdurch könnten andere Infrastruktureinrichtungen, insbesondere Hochseehäfen, entlastet werden. Vor allem eine Anbindung an das Eisenbahnnetz der aufstrebenden Volkswirtschaften Südostasiens wäre sinnvoll. Die Wiederaufnahme des Verkehrs mit Vietnam durch die neue Eisenbahnverbindung Peking-Hanoi im Jahre 1995 lässt einen positiven Effekt auf die Handelsbeziehungen mit Vietnam erwarten (Vgl. Hongkong News 22/96, S.18). Weitere Verbindungen nach Südostasien sind in Planung. Doch müssten Verbindungen nach Thailand, und weiter nach Malaysia und Singapur aus geographischen Gründen entweder durch Laos oder Birma führen. Mit beiden Ländern waren solche Abkommen aus politischen Gründen und aufgrund des Bürgerkriegs in Birma bisher unmöglich. Dies könnte sich jedoch mit der Aufnahme der beiden Länder in die Staatengruppe ASEAN im Juli 1997 möglicherweise ändern. Ein weiteres Problem ist die Überlastung vieler Güterbahnhöfe. Nach Schmidt sind die vier größten Rangier- und Verschiebebahnhöfe Chinas voll ausgelastet, so daß Erweiterungsmaßnahmen dringend nötig sind. Die Güterstationen in den großen Stahlwerken, Kraftwerken, Häfen sowie in den wichtigen Umschlagsplätzen Shanghai und Guangzhou sind ebenfalls stark überlastet. (Vgl. Schmidt 1992, S.61) Auch gibt es zu wenig doppelgleisige Strecken. Wegen der ungünstigen geographischen Verhältnisse gibt es viele Brücken und Tunnels in China. (Vgl. Poser 1995, S.35). Deswegen ist ein Ausbau zu doppelgleisigen Strecken teuer und schwierig. So gelang es erst vor einigen Jahren die alte Strecke Peking-Kanton zweigleisig auszubauen. Dies erhöhte die Kapazität um das dreifache. (Vgl. Schmidt 1992, S.97) Viele Strecken sind nur mit leichten Zügen zu befahren, weil früher die Strecken nicht für Schwertransporte ausgelegt waren. Die wichtigsten Strecken werden nun mit Stahlbetonschwellen versehen, die größeres Gewicht aushalten. Auch kann so eine höhere Transportkapazität erreicht werden. (Vgl. Schmidt 1992, S.98) Linktipps Umrechnung von Einheiten für mathematische Laien Reiseinfos über die spanische Insel Mallorca Reiseguide über alle Inseln von Griechenland Fragen und Antworten zu verschiedenen Themen Die Kapazität der Schienenwege kann auch durch Elektrifizierung deutlich erhöht werden. Dies gilt besonders für Strecken mit Steigungen, da E-Loks eine höhere Kletterfähigkeit besitzen. Auch hier ist bisher ein deutlicher Mangel besonders auf den Gebirgsstrecken des Südens vorhanden. (Vgl. Schmidt 1992, S.100) Die Kapazität der Strecken könnte auch noch durch Modernisierungen in der Signaltechnik etwas erhöht werden. Auch die Sicherheit könnte hierdurch verbessert werden. (Vgl. Schmidt 1992, S.98) Insgesamt sind jedoch die Bemühungen bisher bei weitem nicht ausreichend, die Probleme zu lösen. Die Gefahr, daß Schienentransportengpässe das weitere wirtschaftliche Wachstum hemmen, ist groß. Trotz aller Investitionen werden in naher Zukunft die Probleme eher größer werden. Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten die Probleme zu lösen. Zum einen könnte das Schienennetz viel schneller als bisher ausgebaut und modernisiert werden. Zum anderen könnte ein größerer Teil des Verkehrs auf andere Verkehrsträger verlagert werden. Wenn nichts von dem geschieht, können vor allem der Export- und der Industriesektor und somit die Wirtschaft insgesamt nicht mehr so schnell wachsen. |